Chronik der

TAVERNA FLORIAN

 

Der heilige St. Florian - Feuerschutzpatron - steht vis-a-vis auf dem St. Florian Platz
als Sandsteindenkmal. Im Jahre 1810 wurde er von einem heute unbekannten Bildhauer
erstellt. Die Bürger dieses Städtchens betrachten ihn als ihr schönstes Denkmal - ihm wird
symbolisch gedankt, daß er diesen historischen Ort vor verheerenden Bränden bewahrte.

St. Florian zu Ehren benannten wir diese Taverna,
denn er schaut unmittelbar in unsere Richtung!

 

Ein Stadtplan vom Jahre 1605 zeigt Kõszeg - bereits damals wie heute
im deutschen Sprachraum Güns genannt - noch als Festung, umgeben vom
Burggraben, der vom Günser Bach mit Wasser gespeist wurde.

Anfang 1700 wurde der Burggraben trockengelegt und entlang der äußeren Stadtmauer
zum Teil bebaut. Im Bereich dieses Hauses wurden die Steine abgetragen, um unmittelbar
daneben das Fundament für einen Weinkeller zu schaffen. Die restlichen Wände mauerte
man aus kleinen, mit Händen und Füßen geformten Klinkern auf, vier bemerkenswerte
Gewölbe wurden sorgfältig darüber konstruiert und der Lehmboden in zwei
unterschiedliche Höhen angelegt. Der Grund hierfür ist noch nicht eindeutig geklärt.
Es wird angenommen, daß somit das Umfüllen der Weinfässer erleichtert werden sollte.
Diese Höhenunterschiede sind angeblich nirgendwo in Weinkellern zu finden.
Möglicherweise paßte man sich aber auch beim Bauen an das vorhandene Gelände an.

 

Diese Dokumentation von 1808 aus dem hiesigen Museum
zeigt die damalige Größe des Gebäudes.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Gebäude zum Wohnen umgestaltet.
Eine Rauchküche - noch bestehend und heute wieder als Küche genutzt - wurde
mittig in Richtung Zwinger hinzugebaut, darunter ein weiteres Gewölbe und Arkaden.

 

Diese Dokumentation von 1839 zeigt den Anbau.

Danach wurden neben die Rauchküche noch ein kleiner Wintergarten mit Treppenhaus,
ein weiterer Keller mit Gewölbe und ein Wohnraum - heute der Galerieraum, angebaut.

Aus dieser Zeit stammt die überlieferte Geschichte, ein Baron von Rothschild habe für
seine Mätresse Umgestaltungen dieses kleinen Anwesens in romantischer
Umgebung veranlasst.

Vor dem II. Weltkrieg wohnten hier ein Konzertpianist, der europaweit auftrat und
seine Frau, die Klavierunterricht erteilte. Diese Information stammt von einer
Budapester Dame, die hier damals Klavierschülerin war.

Seit dem II. Weltkrieg war das Gebäude zweckentfremdet.
Die neuen Bewohner nutzten es als Bauernhaus. Getreide wurde auf dem Dachboden
gelagert und die Kellerräume wurden als Pferde-, Schweine- und Hühnerstall,
Holz- und Kohlenlager benutzt. Die baulichen Schätze blieben verborgen,
wie z.B. die phantastischen Gewölbe und Arkaden, die teilweise zugemauert,
verbrettert und durch kreuz und quer hinzugefügte Wände kaum erkennbar waren.

Die ursprüngliche Stadtmauer und eine bereits damals von klugen Baumeistern
in den Burggraben integrierte Zisterne waren zugeschüttet.

Auf dem Dachboden fanden wir - aus dieser Zeit stammend -
sechs mumifizierte Katzen im Lehmboden, die offensichtlich qualvoll
umgekommen waren. (Ein Exemplar ist noch zu zeigen.)
Dies ist jedoch der einzig uns bekannte dunkle Punkt in der Geschichte dieses Hauses!

Umgeben vom Zwinger - der Vorburg aus dem 14. Jahrhundert, dem Heiligen St. Florian
von 1820 und der 1894 errichteten Herz-Jesu Kirche, ist das zunächst bescheiden wirkende
Häuschen nach genauerer Betrachtung beeindruckend und vermittelt durchaus ein Gefühl
der Sicherheit, Geborgenheit und Ruhe in unserer Zeit der Hektik.

Der Platz wird vielfach empfunden als ein Ort der Kraft.

Da das Gebäude in der Nachkriegszeit unscheinbar wirkte (die Sandsteineinfassungen
waren durch hinzugefügte zweite Fenster abgedeckt und zum Teil zerstört), wurde es
übersehen und nicht unter Denkmalschutz gestellt. Die Renovierung fand jedoch in
Absprache mit dem Amt für Denkmalschutz in Budapest statt.

Die Aufräumungsarbeiten nahmen nahezu ein halbes Jahr in Anspruch, denn es wurde
sorgfältig in Erwägung gezogen, welche ursprünglichen Proportionen und Materialien für
die zukünftige Nutzung vorteilhaft bzw. wiederverwendbar waren.

130 große Container an Schutt, Abfällen und Abbruchmaterial mußten entfernt werden,
bevor mit der eigentlichen Renovierung begonnen werden konnte.

Da die Arbeiten überwiegend in Eigenregie verliefen,
erlebten wir die Räumlichkeiten und den Innenhof von früh bis spät in jeder Jahreszeit.
So lernten wir mit diesem Haus zu leben, uns anzupassen und dennoch einige
neue Ideen, wie z.B. den offenen Kamin, zu integrieren.

Not macht bekanntlich erfinderisch. Was wir an Gegenständen nicht passend auf
dem Markt fanden, entdeckten wir teilweise auf dem hiesigen Schrottplatz.
Zum Beispiel wurden die Nähmaschineneisengestelle vor der Zerkleinerung für Alteisen
gerettet und dienen nun als stabile Tischuntergestelle. Beschädigte Gusseisenbassenas
wurden in Kombination mit alten Heizspiralen zu Lampen umfunktioniert
und fügen sich unaufdringlich in die Rundungen der Gewölbe.

Die bearbeiteten Sandsteine wurden bei den Aufräumungsabeiten im Garten entdeckt.
Viele waren zertrümmert. Die brauchbaren wurden in den Bau und Garten eingebracht.
Insgesamt betrug die Renovierung drei Jahre.
Nun haben Sie einen kleinen Eindruck über die Entstehung der Taverna Florian.


Übrigens wird Kõszeg als die besterhaltenste
mittelalterliche Kleinstadt Ungarns bezeichnet, und ist somit
"ein Kleinod Europas"

Sollten auch Sie diesen wunderschönen Ort liebgewinnen,
so ermutigen wir Sie, auf Ihre Art dazu beizutragen,
dieses Städtchen zu erhalten und wiederzubeleben.

 

Sybille Stewart